Corona. Krise. Kapitalismus - Emanzipatorische Perspektiven der radikalen Linken in Zeiten der Pandemie
Was ist: Flora im Lockdown
Seit März 2020 haben wir den Konzert-, Party- und Veranstaltungsbetrieb in der Roten Flora ausgesetzt. Einige wenige politische Veranstaltungen fanden vorübergehend im Sommer - in eingeschränktem Masse - und nur im Freien statt. Angesichts der immer noch hohen Infektionszahlen, der Unvorhersagbarkeit des Virus' und aktuell der Unklarheit über die Gefährlichkeit der neuen Virusmutationen halten wir es für sinnvoll, mit dem Flora-Betrieb auch weiterhin komplett zu pausieren. Der sogenannte 2. Lockdown nervt uns alle, doch wir halten die Corona-Pandemie für eine reale Bedrohung, die die Gesundheit und das Leben - besonders von Risikogruppen - gefährdet. Ihnen gilt unsere Solidarität. Natürlich erleben wir die Schwierigkeiten, sich ohne direkte Kontakte zu vernetzen und politisch zu arbeiten, sowie gezielte Kampagnen-Arbeit durchzuführen. Auch das Einbinden von politisch interessierten Einzelpersonen wird massiv erschwert. Angesichts der Dimensionen der politischen Auswirkungen der Pandemie braucht es gerade eigentlich offene Räume für politische Veranstaltungen und Mobilisierungen - jetzt sofort und in den nächsten Monaten.
Wie andere autonome Zentren, besetzte Häuser oder Nischen sind wir als Rote Flora nicht Bestandteil des geregelten Kulturbetriebs.
Als radikale und kritische Linke tragen wir aus Vernunftgründen mit, was die offizielle Politik im Hinblick auf Abstandsmassnahmen, Hygieneregeln und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes derzeit formuliert. Wir haben aber eine grundlegende Kritik an den ökonomischen, sozialen und menschlichen Folgen der staatlichen Pandemie-Politik.
Diese Kritik richtet sich vor allem gegen die vermeintlichen Sachzwänge der Massnahmen, deren vorrangiges Ziel nicht dem Infektionsschutz dienen, sondern der Aufrechterhaltung der neoliberalen kapitalistischen Verwertungslogik.
So ist es nicht schlüssig, wieso es aus Infektionsschutzgründen untersagt ist, sich mit mehr als einer Person aus dem eigenen Umfeld zu treffen, es aber als völlig selbstverständlich hingenommen wird, dass Menschen auf engem Raum im öffentlichen Nahverkehr zusammengepfercht in der Rushhour stehen und die Grossraumbüros weiterhin voll besetzt sind. Im Gegensatz zu jedem Theater, Kino, Restaurant, Friedhof oder Pommesbude bestehen für Unternehmen bisher keinerlei zwingende Hygienevorgaben. Stattdessen wurde monatelang "gebeten", "appelliert" und es für "wünschenswert" erachtet, wenn abstandsfördernde Möglichkeiten wie z.B. das Homeoffice Arbeitnehmer*innen zugestanden würden. Ganz zu schweigen von den vergessenen Arbeiter*innen in den Fabriken und Call-Centern, auf den Baustellen sowie in der Agrarwirtschaft, die weiterhin dem ausbeuterischen Normalbetrieb ausgesetzt sind.
Ausser Applaus nicht viel gewesen.
Eigentlich sehnen wir den Zusammenbruch oder zumindest die radikale Änderung des kapitalistischen Systems herbei und könnten unsere Hoffnungen darauf setzten, dass diese Pandemie mehr Menschen erkennen lässt, dass es so nicht weitergehen kann. Doch es liefe auf eine sozialdarwinistische "Wo-gehobelt-wird-fallen-Späne"- Mentalität, hinaus, jetzt nur auf den Kollaps des Systems zu setzten. Gerade im Gesundheitssektor zeigt sich dieses Dilemma. Es ist nicht emanzipatorisch und somit für uns inakzeptabel, den Zusammenbruch der medizinischen Versorgung als logische Folge kapitalistischen Wirtschaftens hinzunehmen. Auch aus einer radikal linken Perspektive gilt es zu verhindern, dass das durch neoliberale "Reformen" kaputtgesparte Gesundheitssystem durch steigende Infektionszahlen weiter überstrapaziert wird.
Die Arbeitsbedingungen waren für Pflegekräfte und Ärzt*innen in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen - im Schatten von Fallpauschalen und Pflegestufen - schon vor der Pandemie unsäglich. Die Qualität medizinischer Versorgung steht hinter der Höhe von Dividenden zurück. Profitmaximierung mittels Kostenminimierung hat hier oberste Priorität. Nun hat sich die Situation dramatisch verschärft. Auch die zu hohen Sterbezahlen in den Pflegeheimen sind unmittelbare Folge der neoliberalen Deregulierung und des daraus resultierenden jahrelangen Personalnotstands, der sich nun bitter rächt.
Statt dies einzusehen, nun radikal gegenzusteuern und das gesamte Gesundheitssystem von der Logik kapitalistischer Rentabilität und Gewinnerwirtschaftung hin zu einem System staatlich subventionierter Daseinsfürsorge zu befreien, wird die Last der Pandemie gesundheitspolitisch einseitig auf Beschäftigte und Kranke abgewälzt. Insbesondere Pflegekräfte und Ärzt*innen sind am Limit, denn Pflegekapazitäten und -aufwand stehen in keinem Verhältnis zueinander. Eine fach- und sachgerechte Therapie und Pflege ist nicht mehr möglich. Menschen sterben zunehmend nicht allein am Virus, sondern an fehlendem Personal.
Es ist kein Geheimnis, dass viele regionale Krankenhäuser auch infiziertes Personal weiterbeschäftigen, weil sie die Krankheitsausfälle nicht anders kompensieren können. Die nun geführte Debatte um eine Impfpflicht für Pflegekräfte ist absurd und Ablenkung von den Versäumnissen, eine qualitative Verbesserung der Situation im Gesundheitswesen auf die Beine zu stellen. Die vermeintliche Wertschätzung der ausserordentlichen Leistungen der Beschäftigten im Gesundheitsbereich im März letzten Jahres war symbolisch und heuchlerisch, stollenverteilende Ministerpräsidenten vor Krankenhäusern deren zynischer Ausdruck. Der (Gesundheits-)Laden soll um jeden Preis weiterlaufen. Blut, Schweiss und Tränen darf es kosten, aber bitte kein Geld.
Staatlicher Rassismus als Gesundheitsrisiko
Die ohnehin rassistische und klassistische Geflüchteten-Politik zeigt sich in der Pandemie besonders deutlich am Umgang mit den unsäglichen Zuständen in den Lagern an den EU-Aussengrenzen.
Doch bereits hierzulande sind die ersten und zugleich unsichtbarsten Opfer der Krise illegalisierte Menschen in unserer Gesellschaft. Ohne Papiere, abhängig von prekären Beschäftigungsverhältnissen im informellen Sektor, wurden sie geräuschlos aus ihren Arbeitsverhältnissen entlassen und stehen nun unmittelbar vor dem Problem der daraus resultierenden Wohnungs- und Perspektivlosigkeit. Aufgrund ihres papierlosen Status' fallen sie zusätzlich durch alle Raster der ohnehin dürftigen Hilfsangebote. Ohne Krankenversicherung, konfrontiert und alleingelassen mit der Sorge um Unterkunft und Essen, stellt die Einhaltung der AHA-Regeln eine unlösbare Herausforderung dar und setzt die Menschen einem hohen Infektionsrisiko aus.
Dies betrifft auch noch einmal mehr die Menschen, die in den staatlichen Massenunterkünften am Stadtrand und in Containerdörfern in Industriegebieten für den Rest der Gesellschaft unsichtbar gemacht, auf eine Aufenthaltserlaubnis hoffen. Nicht nur in pandemischen Zeiten sind die hygienischen Verhältnisse dort indiskutabel, angesichts des derzeitigen Infektionsgeschehens jedoch lebensgefährdend. Zu viele Menschen auf zu wenig Platz, mit zu wenigen und funktionierenden Küchen- und Sanitäreinrichtungen. Abstand halten, um einer möglichen Infektion vorzubeugen, ist unter diesen Bedingungen nahezu unmöglich. Wer sich mit Glück nicht angesteckt hat, muss weiter unter diesen dürftigen Bedingungen ausharren. Die rudimentäre staatliche Gesundheitsversorgung sorgt dafür, dass hier bei bereits erfolgten positiven Corona-Tests diese Lager schnell abgeriegelt wurden und die Bewohnenden nun gemeinsam auf ihre weitere behördliche "Bearbeitung" warten dürfen. In einigen Fällen von Covid-19-positiv Getesteten wurden diese gemäss "Deutscher Ordnung" in andere Lager zu anderen Infizierten verbracht.
Die herrschende EU-Innenpolitik ist trotzdem der Meinung, dass diese unsäglichen Zustände "Fluchtanreize" schaffen würden.
Deswegen ist das Vorgehen an den EU-Aussengrenzen noch mal um einiges rauer. Hierbei ist es ganz gleich, ob auf dem Balkan oder auf den griechischen Inseln, ob mit abgebrannten Lagern in Ruinen oder in abgeriegelten, unbeheizten und in Regen, Schlamm und Schnee versinkenden Zeltdörfern. Statt diese aufzulösen und den Menschen die Einreise nach Europa zu gewähren, werden diese unter haftähnlichen und inhumanen Bedingungen in diesen "Einrichtungen" eingepfercht ihrem Schicksal überlassen. Dort sind die Verhältnisse objektiv so menschenverachtend, dass die Corona- Pandemie fast schon als ein eher marginales Problem erscheint.
Armut als Bildungsrisiko
Das eklatante Versagen der staatlichen Pandemie-Politik zeigt sich ebenso im Bildungsbereich. Der krampfhafte Versuch, die Schulen um jeden Preis offenzuhalten, ist gescheitert. Hamburgs Schulsenator Thies Rabe ist ein Prototyp staatlicher Ignoranz in diesem Zusammenhang. Monatelang hat er ohne fundierte wissenschaftliche Grundlage behauptet, Schulen würden keine Rolle im Infektionsgeschehen spielen. Gegen jeden wissenschaftlichen Rat verschlossen und gegen den erklärten Willen von Schüler*innen und Elternschaft, die für einen differenzierten Umgang mit der Pandemiesituation an den Schulen plädierten, hat er die alternativlose Öffnung der Hamburger Schulen vertreten. Als dann zuletzt eine Studie nachwies, dass die Schulen wahrscheinlich einen nicht unerheblichen Anteil am eskalierenden Infektionsgeschehen haben, wurde diese Studie zunächst wie zufällig der Öffentlichkeit vorenthalten.
Zudem wurde im vergangenen Sommer die Zeit zwischen den Infektionswellen nicht genutzt, um die Schulen mit Lüftungssystemen auszustatten und Pläne für einen sinnvollen kontaktarmen Unterricht mit dem Einsatz von digitaler Technik und Endgeräten und einer durchdachten Schüler*innenbeförderung zu entwickeln.
Insbesondere weniger privilegierte Kinder haben häufig weder die räumlichen noch die finanziellen Ressourcen, um sinnvoll am digitalen Distanzunterricht teilzunehmen, zu können. Weiterhin haben viele Eltern und Erziehungsberechtigte weder die Zeit noch die Möglichkeiten, sie angemessen zu unterstützen. So werden in der Krise soziale Unterschiede zementiert und die ohnehin vorhandenen Benachteiligungen von zu vielen Schüler*innen fortgeschrieben.
Kultur als Armutsrisiko
Die unmittelbaren finanziellen Folgen der Krisenpolitik tragen derzeit prekäre, illegalisierte und/oder im Niedriglohnsektor Beschäftigte, Solo-Selbständige oder Beschäftigte im Kulturbereich. Während in florierenden Zeiten sich gerne wohlwollend durch gönnerhaftes Mäzen*innentum als Wohltäter*innen der Kultur geschmückt wird, werden hier in Krisenzeiten mit am schonungslosesten Abstriche verlangt bzw. auch gemacht. Teilweise wurden und werden vom Staat zwar Unterstützungsleistungen "gewährt" bzw. Kurzarbeitergeld von der Bundesagentur für Arbeit gezahlt. Aber die finanziellen Einbussen für die Betroffenen sind in diesem Jahr bereits sehr erheblich gewesen und werden mit zunehmender Dauer der Einschränkungen existenzgefährdend.
Die herrschende Politik will die Dimensionen der Auswirkungen des Lockdowns für den Kulturbereich offenbar weder realisieren noch wirklich thematisieren. Es wird so getan, als ob Kultur ausser einem wirtschaftlichen Beitrag, der anscheinend verzichtbar ist, nichts weiter zu bieten hätte. Somit liegt der Kultursektor seit Mitte März 2020 mehr oder weniger völlig am Boden. Es ist absehbar, dass insbesondere viele kleinere Produktionen und die dafür notwendige Technik- und Infrastruktur diesen Einschnitt nicht überleben werden.
Diese Geringschätzung finden wir völlig verantwortungslos, aber bezeichnend für die bereits erwähnte Verwertungslogik und regierungspolitische Doppelmoral. Daher ist es jetzt besonders wichtig, die notwendige Infrastruktur ausreichend zu unterstützen und diese so lange über Wasser zu halten, bis ein vollständiger Kulturbetrieb wieder möglich ist.
Wer hat, dem wird gegeben
Auch wenn momentan milliardenschwere Programme aufgelegt werden, wird es später mit dem Argument des "Sachzwangs der Gegenfinanzierung" sehr bald Steuerlasten geben, die die Pandemiehilfen refinanzieren sollen. So braucht es keine ausgewiesenen marxistischen Kenntnisse, um zu wissen, dass dies vor allem kleine und mittlere Einkommen treffen wird und weniger jene, die sich jetzt schon in der Krise schadlos halten. Wir gehen davon aus, dass - wie bei der Finanz- und Euro-Krise - diejenigen für die finanziellen Folgen der Krise zur Kasse gebeten werden, die sich am schlechtesten dagegen wehren können: abhängig Beschäftige, Rentner*innen und Menschen mit geringem Sparguthaben. Somit wird dieses System alles dafür tun, sich weiter am Laufen zu halten.
DAX und MDAX Konzerne profitieren hier von ihrer jahrelangen Lobbyarbeit und ihrer engen Verzahnung mit dem politischen System. Die staatlichen Milliardenbeträge als Darlehen und Unterstützung können für einige "system-relevante" Unternehmen gar nicht hoch genug sein.
Für die Lufthansa sind 8 Mrd. Soforthilfe aus dem Nichts erschienen, was den Konzern aber nicht davon abgehalten hat, trotzdem Arbeitnehmer*innen zu kündigen. Und statt beispielsweise Einfluss auf eine klimafreundliche Produktion und umweltverträgliches Reisen zu nehmen, lässt man die Vorstände ungehindert weiter an ihrer Profitstrategie für die Aktionär*innen arbeiten. Diese Unterstützungen werden aus Steuermitteln finanziert und in den nächsten Jahren für andere gesamtgesellschaftlich sinnvollere Aufgaben fehlen. Zumal sich der Verdacht aufdrängt, dass mit den (angeblichen) Pandemiefolgen Massnahmen zur Verschlankungen der Arbeitnehmer*innenschaft nun ohne den Widerstand von Gewerkschaften und Arbeitnehmer*innenvertretungen einfacher durchgezogen werden können. Andere Unternehmen wie beispielsweise Amazon, Microsoft Intel & Co profitieren hingegen extrem von der Corona-Krise durch den boomenden Online-Handel und den durch die Krise verursachten Digitalisierungsschub. Dies unter oftmals untragbaren Arbeitsbedingungen und auf Kosten der Gesundheit der dortigen Belegschaft, da Gesundheitsschutz nicht als Priorität gesehen wird.
Letztlich zeigen uns die vielen Schlaglichter der ungleichen Lastverteilung, dass das kapitalistische System nicht in der Lage ist, eine adäquate und gerechte Lösung der Krise zu gewährleisten. In dieses Bild passt auch, dass sich zu Beginn der Impfkampagnen 95 % aller Impfungen zunächst auf 10 Länder des globalen Nordens, darunter Deutschland, Israel, Italien, Spanien, Grossbritannien, die USA, China und Russland, konzentrierten. Länder des globalen Südens, darunter der gesamte afrikanische Kontinent können möglicherweise erst wesentlich später mit einem ausreichenden Zugang zu einem der neu entwickelten Impfstoffe rechnen. Selbst in Zeiten einer globalen Pandemie entscheiden wirtschaftliche Interessen über Leben und Tod von Menschen. Statt einem globalen Zugang zu ausreichender medizinischer Versorgung und Impfpatenten bleibt Gesundheit eine "Ware".
Die Mainzer Firma BioNTech wird mit ihrem US-Partner Pfizer allein in diesem Jahr mit ihrem Impfstoff über 12 Milliarden Dollar Gewinn machen. Dieser Profit ergibt sich aus der Weigerung, durch den Verzicht auf ihr Patentrecht weiten Teilen der Weltbevölkerung den Impfstoff zu günstigen Preisen zugänglich zu machen. Dieser privatwirtschaftliche Gewinn ist schon deswegen ein Skandal, weil allein BioNTech mehr als 350 Millionen Euro Steuergelder für die Entwicklung der Vakzine erhalten hat. Damit wurde über die Hälfte der gesamten Entwicklungskosten durch die Allgemeinheit finanziert.
So setzt sich auch im Zeichen der COVID19-Pandemie die globale Ungleichkeit und tödliche Ignoranz kapitalistischer Gewinnmaximierungslogik fort.
"Krude" Allianzen
Trotz aller Widrigkeiten, Unbequemlichkeiten und Ungerechtigkeit, die diese Massnahmen im Namen der herrschenden Politik mit sich bringen, haben wir kein Verständnis für die sogenannten "Corona-Rebell*innen". Im Gegenteil, wir fordern dazu auf, sich aktiv rechten und rechts-offenen Organisierungen konsequent und mit antifaschistischer Entschlossenheit entgegenzustellen!
Es ist gruselig zu sehen, wie sehr die Kritik an der Einschränkung persönlicher Freiheiten in Ressentiments abdriftet und gesellschaftliche Abgründe verstärkt an die Oberfläche gespült werden. Im Rahmen der Pandemie werden politische Inhalte nicht mehr hinterfragt, sondern obskure Allianzen zwischen Alt-68er*innen, Esoteriker*innen und Hardcore-Neo-Nazis aller Facetten gebildet. Wider aller Vernunft braucht es Sündenböcke, um Ängste und eigene Unsicherheiten zu kompensieren. Untermauert von nicht konsistent wiedergegebenen "wissenschaftlichen Fakten" wird sich die sogenannte Wahrheit anhand alternativer Informationen bruchstückhaft im subjektiven Gefallen zurechtgezimmert. Mit einhergehend wird hier rechten Inhalten wie u. a. Antisemitismus und Rassismus in der sogenannten bürgerlichen Mitte verstärkt eine Bühne geboten, während sich offiziell als "unpolitisch" gegeben wird.
Symptomatisch und symbolischer Ausdruck für diese abstruse Mischung ist das einträchtige Nebeneinander von Friedensfahnen, Regenbogenfahnen und Reichskriegsflaggen auf den Querdenker*innen-Demos.
Bezeichnenderweise werden diese Demonstrationen des selbsternannten Querschnitts der Gesellschaft gerne von der Polizei unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit, oftmals ungeachtet von Verstössen gegen den Infektionsschutz, geschützt. Während wiederum z. B. die Gedenkdemo für die Ermordeten von Hanau in Hamburg unter diesem Vorwand im August letzten Jahres verboten und aufgelöst wurde.
Perspektiven auf ein solidarisches Miteinander in der Pandemie und danach
Doch wie kann ein solidarischer Umgang in der Pandemie aussehen bzw. gestaltet werden? Was bedeutet die Bedrohung durch den persönlichen Kontakt für die Art und Weise unserer politischen Arbeit, als Konzept einer praxisnahen Politik von unten?
Wie können wir ausserdem verhindern, dass wir unter den Corona- Massnahmen nicht weiter vereinzeln?
Wir müssen uns ehrlich eingestehen, dass wir keine Patentlösung für den Umgang mit den Folgen der Pandemie und die akuten oben gestellten Fragen haben, ausser die stetige Forderung nach der Auflösung der herrschenden Verhältnisse. Allerdings hat die Debatte in der radikalen Linken jetzt erst richtig begonnen. Insbesondere die Debatte um ein Zero-Covid Konzept, deren Ansatz wir mit gemischten Gefühlen betrachten, scheint die vorher herrschende Sprachlosigleit abgelöst zu haben. Einerseits finden wir es gut, dass im vorgeschlagenen Konzept Konzerne und Arbeitgeber*innen mit in die Pflicht genommen werden. Andererseits finden wir die repressive Steilvorlage für den Staat oder den Staat-ersetzende Strukturen für die Umsetzung des notwendigen harten Lockdowns, fragwürdig für einen emanzipatorischen Ansatz. Dennoch ist es auch Fakt, dass das Virus sich nicht weg-analysieren lässt und wir dringend ein Konzept brauchen, was sich umsetzen lässt. Solidarisches Handeln auf Basis eines kollektiven Bewusstseins ist gewissermassen die Grundlage unserer Politik.
Auch wenn die derzeit geltenden Bestimmungen eine deutliche Einschränkung unserer politischen Organisations- und Mobilisierungsmöglichkeiten zur Folge haben, müssen wir alle technischen und kommunikativen Optionen nutzen, um weiter vernetzt, im Austausch und nicht zuletzt politisch handlungsfähig zu bleiben.
Zudem müssen wir gemeinsam dafür streiten, unsere Orte und Zentren zu erhalten und weitere zu erkämpfen!
Ausgedrückt in unterschiedlichsten Formen könnte dies eine Möglichkeit sein, wie wir Ängsten, Panik und autoritären Sehnsüchten etwas entgegensetzen und die Pandemie unbeschadet überstehen.
Für die Praxis bedeutet dies u.a. eine konkrete Einmischung in die aktuelle Situation, damit soziale und finanzielle Lasten und Einschränkungen des Lockdowns fairer verteilt werden. Wir fordern u.a. daher:
- Schliessung aller Lager, Auflösung von Sammelunterkünften und stattdessen die Einrichtung menschenwürdiger dezentraler Unterbringung
- Abschaffung der 40-Stunden-Woche, Etablierung eines fairen Stundenlohns, Möglichkeit für dezentrales Arbeiten
- Radikale Änderungen in der Gesundheitspolitik- keine Sparmassnahmen auf Kosten von Pflegepersonal und Patient*innen!
- Ausreichende und unbürokratische finanzielle Unterstützung aller von den Einschränkungen besonders Betroffenen wie z.B. Künstler*innen und Solo-Selbständigen
- Laptops und gratis Internetzugang für Schüler*innen aus einkommensschwachen Familien
- Aufrechterhaltung von Treffpunkten unter besonderer Berücksichtigung strenger Hygieneregeln für alte und einsame Menschen, denn Einsamkeit macht krank
- Vergesellschaftung des Wohnraums oder Mieten verweigern, enteignen, besetzen!
- Luxus und Gesundheit für alle!
Weiterhin dürfen wir nicht zulassen, dass die berechtigten finanziellen, sozialen und emotionalen Sorgen und Nöte der von den Coronabestimmungen betroffenen Menschen politisch derzeit nur von Rechten und rechts-offenen, profitgierigen Querdenkenden öffentlichkeitswirksam vereinnahmt werden.Im linken Spektrum gibt es bereits Initiativen wie "WerHatDerGibt", die dazu arbeiten und die weitere Unterstützung brauchen.
Wir begrüssen und unterstützen ausserdem Initiativen von Bündnissen wie am 17.01.2021 in Hamburg und u.a. am 30.01.2021 in Berlin geschehen, sich solidarisch und pandemie-bewusst die Strasse zu nehmen und für emanzipatorische Antworten auf die Folgen der Pandemie und gegen Verschwörungsideolog*innen zu demonstrieren.
Keine Macht dem Verschwörungsglauben!
Für eine solidarische und emanzipatorische Pandemiebekämpfung - Die Gesundheit aller vor Profite einzelner!
Plenum der Roten Flora Februar 2021
(Hinweis: Dieser Text spiegelt den Stand der Diskussionen Ende Januar/Anfang Februar 2021 wider!)
Rote Flora