Von Unfällen, Zwischenfällen und Einzelfällen
Statement zum rechten Mordversuch in Henstedt-Ulzburg
Am Samstag 17.10.20 fuhr ein AFD- Anhänger in Henstedt-Ulzburg mit seinem Geländewagen gezielt in eine Gruppe von Antifaschist*innen, die gegen eine AFD- Veranstaltung protestierten auf der u.a. Jörg Meuthen eingeladen worden war. Bei dieser Aktion wurden mehrere Personen verletzt und offensichtlich ihr Tod in Kauf genommen. Auf die erschrockenen und wütenden Reaktionen der Umstehenden fiel den Bullen nichts besseres ein, als einen Warnschuss abzugeben, um "die Lage zu beruhigen".
Dieser Angriff ist für uns weder ein Zufall, noch ein Unfall, noch ein "ernstzunehmender Zwischenfall" von dem neuerdings gesprochen wird, sondern nicht weniger als ein kalkulierter Mordversuch.
Wir sehen hier eine Parallele zu dem Attentat in Charlotteville / USA 2017, wo eine Antifaschist*in durch einen Autoangriff getötet und Dutzende verletzt wurden. Auch hierzulande haben diese Angriffe der Nazis auf Antifaschist*innen und Menschen, die nicht ins rechte Weltbild passen, mittlerweile Kontinuität, wie die Antifaschistische Linke Münster jüngst recherchiert hat.
Doch ebenso wütend und fassungslos wie dieser Mordversuch, machen uns die Reaktionen von Polizei, Justiz und Presse. Die erste Pressemitteilung der Bullen bagatellisierte den Angriff als einen "Unfall", die leitende Kieler Oberstaatsanwältin Birgit Hess spricht hier nicht weniger verharmlosend von einem "schwerwiegenden Zwischenfall".
Diese Argumentation reiht sich ein in die jahrzehntelange systematische Verleugnung von rassistischen Morden und Verharmlosung von rechtem Terror in Deutschland.
Anders als es das erinnerungspolitische Selbstbild der deutschen Gesellschaft behauptet, wird weder aus älterer noch jüngerer Geschichte gelernt. Die Morde des NSU, das Attentat auf Walter Lübcke, die Terrorangriffe in Halle und Hanau, um nur einige traurige Höhepunkte rechten Terrors der jüngeren Vergangenheit zu nennen, sind letztlich nur die Spitze des Eisbergs.
Sowohl in polizeilichen Ermittlungen und der medialen Berichterstattung werden politische Motive ignoriert und ausgeblendet oder die Taten relativiert, gerne auch als "verwirrte Einzeltäter" - Theorie.
Dass sich die Bullen gerne zum Steigbügelhalter rechter Diskurse machen, ist kein Geheimnis. Dass allerdings fast die gesamte Presse ohne eigene Recherche die Darstellung des Polizeiberichts vom Samstag übernimmt, obwohl sie teilweise vor Ort war, ist mehr als erbärmlich. Der Artikel aus dem Hamburger Abendblatt vom 21.10.20 treibt dies auf die Spitze. In diesem wird nicht nur die Täter-Opfer-Umkehr aus dem Bullenbericht übernommen, sondern zusätzlich ressentimentgeladen der Angriff relativiert.
Es ist fast überflüssig zu erwähnen, dass sich die Bullen bei der Soli-Demo für die Betroffenen am Sonntag nicht weniger scheisse als bei den Protesten am Samstag verhalten haben. So wurde im Vorfeld versucht die Personalien der Teilnehmenden festzustellen. Dabei wurde nicht auf die Gefahren der Pandemie Rücksicht genommen. Gedränge wurde riskiert, Abstände nicht eingehalten und Masken haben die Bullen erst nach mehrmaligen Aufforderungen widerwillig aufgesetzt.
Wir wünschen den Verletzten eine schnelle und vollständige Genesung. Wir denken an euch, kommt schnell wieder auf die Beine!
Schluss mit der Bagatellisierung sogenannter "Zwischenfälle"- Nazi-Terror als das benennen was er ist! No Pasarán!
Rote Flora