Wir sind radikal, aber nicht doof
Presseerklärung der Roten Flora vom 11.07.2017
Die Woche vor Beginn des G20-Gipfels waren gekennzeichnet von medialen und politischen Gewaltdiskursen, die zum Ziel hatten die Protestbewegung bereits im Vorfeld zu diskreditieren. Die harte Linie des Hamburger Senats wurde spätestens mit der Ernennung des notorischen Rechtsbrechers Hartmut Dudde zum Polizeieinsatzleiter deutlich. Politisch wurde diese Kampagne gegen den Widerstand gegen das G20-Treffen flankiert von einem Diskurs, der alle auswärtigen AktivistInnen pauschal als GewalttäterInnen denunzierte und die Camps als Ort des politischen Zusammenkommens verbieten wollte. Ausserdem kam es bereits im Vorfeld zu willkürlichen Hausdurchsuchungen. Diese Linie, die gesellschaftlichen Widersprüche, die sich in dem Treffen der G20 manifestieren, nicht politisch, sondern ausschliesslich repressiv aufzulösen, setzte sich in der polizeilichen Verhinderung des antikapitalistischen Camps, fort. Dort agierte die Polizei endgültig völlig losgelöst von jeder gerichtlichen Kontrolle. Ihre Zuspitzung fand dieses Handeln in der Zerschlagung der "Welcome-to-Hell"-Demonstration bei der Tote in Kauf genommen wurden.
Trotz all dieser Bemühungen konnte der Gipfel nicht ungehindert stattfinden. In den folgenden Tagen kam es durch ein Zusammenspiel unterschiedlichster Aktionen immer wieder zu Störungen des Gipfelgeschehens. Nicht die Bilder der Kamingespräche der PolitikerInnen prägten das mediale Bild, sondern die des Widerstands gegen das Spektakel der Herrschenden. Dies werten wir als politischen Erfolg!
Der Hamburger Senat versucht nun für das eigene Versagen einen Sündenbock zu finden - die Rote Flora. Wie in der Vergangenheit, eine selbsterklärende Projektion. Neben der Ablenkung von Rechtsverletzung, die Herabsetzung der Judikative gegenüber der Exekutive, sowie die versuchte Erstickung aller Proteste im Keim, lassen auf Machtlosigkeit und Kontrollverlust schliessen, für die sich jetzt gerächt werden muss. Scholz. Dudde und Co versuchen ihr eigenes Versagen und ihre falsche Setzung von Prioritäten - Schutz der Staatsgäste gegenüber Schutz der AnwohnerInnen auszuspielen. Die hieraus resultierende Hetzjagd nicht nur gegen die Flora sondern linke Strukturen und Zentren sind Indizien für einen völlig entfesselten Diskurs, jenseits realistischer Wahrnehmung.
Wir distanzieren uns von 20000 behelmten Gewalttätern, die schwer bewaffnet und unverhältnismässig gegen protestierende Menschen, darunter JournalistInnen, AnwältInnen und SanitäterInnen, vorgegangen sind. Wir distanzieren uns von einem Staat, der willkürlich Menschen dämonisiert und einknastet wenn durch das eigene Versagen die Macht zu entrinnen droht.
In den Medien wird seit dem Gipfel-Wochenende eine systematische Hetze gegen die linksradikale Bewegung im Allgemeinen und gegen das Projekt Rote Flora im besonderen geführt. Politiker*innen verschiedenster Parteien in Hamburg und auf Bundesebene überschlagen sich in der Beschwörung einer angeblichen neuen Gefahr von links. Die Autonome Bewegung wird mit Terrorismus, islamistischen Selbstmordkommandos und gewalttätigen Nazistrukturen geradezu inflationär gleichgesetzt. Es soll ein Klima geschaffen werden, in dem die Kriminalisierung von politischen Strukturen, sowie die Zerschlagung des besetzen Projektes Rote Flora, aber auch Orten wie der Rigaer Strasse in Berlin vorbereitet werden soll. Wir erklären uns hiermit solidarisch mit unseren gefangenen GenossInnen und denen, die verletzt sind und denen, die von Repression betroffen sind.
Heute Nachmittag wird Bürgermeister Scholz eine Regierungserklärung abgeben. Nach der medialen Hetze der letzten Tage und dem Versuch die Verantwortung für die desaströse Fehleinschätzung seitens der Politik auf die politischen Proteste abzuwälzen, sind wir auf alles gefasst!
Eine mögliche Ankündigung einer Räumung wäre der billige Versuch seitens der Verantwortlichen von Polizei und Politik ihren eigenen Arsch zu retten und von den eigentlichen Skandalen abzulenken. In den letzten Jahren haben wir bewusst mehrfach die Existenz des Hauses zugunsten politischer Positionen und Aktionen in die Waagschale geworfen. Es ist nur ein Haus, ein Symbol, mit dessen Räumung der Wutbürger besänftigt werden soll. Auch im Falle einer Räumung der Roten Flora werden autonome Politik und linksradikale Bewegungen nicht aus dem Stadtbild verschwinden - ganz im Gegenteil!
Emanzipatorische Politik bedeutet für uns nicht Unbeteiligte in Angst und Schrecken zu versetzen. Wir können verstehen, dass Menschen in der Nachbarschaft auf die Ereignisse des Wochenendes mit Fragen und Unverständnis reagieren.
Am vergangenen Sonntag haben wir uns den Eindrücken der AnwohnerInnen gestellt und werden diesen Prozess zeitnah fortsetzen. Eine selbstkritische Aufarbeitung der Ereignisse innerhalb der Szene wird in den nächsten Wochen stattfinden.
Es wird in nächster Zeit keine weiteren Presserklärungen geben.
Rote Flora